Gastbeitrag: Schlittelplausch mit Kleinkindern…

Gastbeitrag: Schlittelplausch mit Kleinkindern…

Wir freuen uns unheimlich, dass sich Res Liebster Man in Helvetica wieder mal die Zeit genommen und für unseren Blog einen Gastbeitrag verfasst hat.
Wir wünschen euch gute Unterhaltung beim Lesen!

Eine Schlittenfahrt ist lustig, eine Schlittenfahrt ist schön,…

… sang einst G.G. Anderson.

Wie recht er hatte,… bis es knackte. Im Kniegelenk, dem grössten Gelenk des menschlichen Körpers. Und Schmerzen verursacht, die eine verschneite Winterlandschaft urplötzlich in die Ausgeburt der Hölle verwandeln.
Aber der Reihe nach…!

Der Kalender des neuen Jahres war noch jung und zeigte Sonntag, 5. Januar 2020. Ein strahlend schöner Tag, der Himmel präsentierte sich wolkenfrei, die Landschaft glitzerte leicht gepudert im Winterlicht. Das Altglas und die Konfettireste der Silvesternacht waren längst entsorgt, der Körper lief langsam wieder auf Normalbetrieb.
Perfekte Bedingungen für einen Tag in den Bergen, bevor am nächsten Tag das Berufsleben wieder beginnen sollte.
Kinder und Proviant eingepackt, Auto vollgetankt, Navigationssystem mit Zielkoordinaten Flumserberg gefüttert, Abfahrt um 09.15 Uhr.

Im Wintersportgebiet Flumserberg angekommen war es kalt, aber schön. Und voll. Auf und neben den Pisten. Die rasante Abfahrt auf der Schlittelbahn versprach Winterspass für die ganze Familie. Start gleich neben dem Bergrestaurant Prodalp, Ziel direkt bei der Gondelbahnstation.
An der Talstation fix zwei Davoser Familienschlitten gemietet, vier Tageskarten gekauft und los ging es, der Berg rief laut und verheissungsvoll!

Auf 1’576 m.ü.M. angekommen erst einmal gestaunt und tief durchgeatmet. Was für eine Aussicht, es gibt kaum Schöneres, als eine verschneite Bergwelt und Sonnenschein. Wir waren bei weitem nicht die Einzigen, viele Gleichgesinnte wollten ihren letzten Ferientag nochmals in vollen Zügen geniessen.
Das Berggasthaus Prodalp war bereits gut besucht, die Piste mit gut gelaunten Skitouristen und Tagesausflüglern gefüllt.
Und hier oben begann sie, die 3 km lange, mittelschwere Schlittelabfahrt, welche uns wie alte Freunde begrüsste: Herzlich, leidenschaftlich und zwanglos.

Es hätte ein lustiger Tag für die ganze Familie werden sollen, aber aus Spass wurde 20 Minuten später Schmerz. Die Piste war eisig und schnell, die Kurven eng und nicht immer übersichtlich. «No risk, no fun» war das Motto, und für ein bisschen Spass wächst man schon mal über seine eigenen Fähigkeiten hinaus. Meine Frau und ich hatten beide Mühe, unsere gemieteten Davoser Schlitten samt Kids kontrolliert ins Tal zu führen. Und Spass hatte irgendwie keiner von uns mehr…
Kurz vor dem Ziel dann der verhängnisvolle Moment, der den Spass auf der Piste abrupt beendete. Zu schnell und zu direkt in eine Rechtskurve gelenkt, Einschlag mit dem linken Fuss und KNACKS! Da war es, dieses unverkennbare, kurze Knacken im Knie, das schmerzliche Erinnerungen an den Kreuzbandriss im rechten Knie weckte. Und auch die Symptome waren identisch: Extrem starke Belastungsschmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit und ein ausgesprochenes Instabilitätsgefühl.
An eine Fortführung der Schlittenfahrt war nicht mehr zu denken.

«Wie zum Teufel komme ich nun von diesem Berg runter?», war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf und das kaputte Knie schoss. Ich stand buchstäblich wie ein lahmer Ochse am Berg, auf dem rechten Arm mein Jüngster, der die Situation mit Wimmern und Krokodilstränen goutierte.
Der Schlitten war mir längst davon gefahren und landete ein paar Hundert Meter weiter unten irgendwo in einer Senke.
Winkend und rufend machte ich meine Frau, die viel weiter unten wartete, auf meine verzwickte Situation aufmerksam.
Zurück kam ein freundliches Winken und irgendwie erkannte ich auf ihrem Gesicht auch ein fröhliches Lächeln. Sie schätze meine Notlage vollkommen falsch ein und machte sich erst nach einer gefühlten Stunde auf den Weg, mir ein Stück weit entgegenzukommen. Leidend wie Christi am Kreuz machte ich derweilen meine nächsten Gehversuche und humpelte fluchend talwärts durch den Schnee, der Jüngste weiterhin schreiend und weinend auf meinem rechten Arm.
Es war die Hölle und die rettende Zivilisation noch unerreichbar weit weg.

Später, viel später, trafen wir an der Passstrasse einen Einheimischen mit Funkgerät und Kontakt zu Spezialisten für den Transport von gehbehinderten Tagesausflüglern. Kurz darauf wurden wir mit einem Pick-up ins Tal gefahren, wo wir direkt die gemieteten Schlitten zurückgaben.

Anschliessend ging’s mit der Gondel wieder hoch auf den Berg, zwecks Linderung der Schmerzen durch Auflegen von Eisbeuteln und Zuführen alkoholischer Getränke. Die restlichen Stunden waren eher etwas angespannt und verkrampft, das Knie – soviel war klar – hatte einen erheblichen Schaden erlitten.

Andere hatten jedoch bedeutend mehr Pech, wie der junge Vater, der noch auf der Piste durch die REGA abgeholt und ins Tal geflogen wurde. Ich konnte zwar kaum laufen, aber immerhin noch aufrecht sitzen, lachen und den Tag mit Familie und Freunden beim gemütlichen Après-Ski ausklingen lassen.

Zuhause schaute ich kurz beim Notarzt vorbei, der mich über die Gefährlichkeit von Wintersportarten aufklärte und mir ein akutes Kniegelenkstrauma mit Verdacht auf Meniskusläsion medial diagnostizierte. Auf entzündungs- und schmerzlindernde Medikamenten folgten weitere Arztbesuche und ein MRI in Zürich, das mir die Meniskusläsion medial bestätigte und eine leichte Partialruptur des medialen Seitenbandes obendrauf packte. Zudem leichte Knorpelschäden lateral femorotibial, kleines Ganglion anterior (ausgehend vom distalen vorderen Kreuzband) und eine Baker-Zyste.

Fazit: Eine Schlittenfahrt ist lustig, aber auch nicht ganz ungefährlich. Schlitteln ist Übungssache, das korrekte Einschätzen der eigenen Fähigkeiten und Sache der richtigen Ausrüstung. In der Schweiz verunfallen jedes Jahr 7’000 Schlittler, so die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Die meisten Verletzen landen in der nächstgelegenen Notfallstation, ganz grosse Pechvögel direkt auf dem Tisch der Rechtsmedizin.
Die meisten Verletzungen ereignen sich übrigens an Beinen, Knien, Unterschenkeln oder Sprunggelenke – Brüche führen hier die Statistik an. Auch Rücken- und Kopfverletzungen sind nicht selten, Trümmerbrüche und Querschnittlähmungen sind nicht ausgeschlossen.
Um in Zukunft solche Fehler zu vermeiden, werde ich mich auf Après-Ski fokussieren, denn der Klassiker des Hütten- und Schlittelplauschs, der im Spital endet, ist keine Legende. Es gibt ihn!

MiH, Vater in Ausbildung

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