Mama werden ist nicht schwer (Teil II)

Mama werden ist nicht schwer (Teil II)

Bitte entschuldigt, dass ich, Re, mir so viel Zeit für den zweiten Teil gelassen habe, aber einerseits kamen mir manchmal meine Gefühle und andererseits das Leben beim Schreiben dazwischen… Jetzt bin ich aber endlich soweit.
Den ersten Teil über meine Reise zum “Mama werden” habe ich in diesem Post mit euch geteilt. Heute möchte ich darüber berichten, wie es danach für meinen Mann und mich weiterging.

Da sassen wir nun, im Wartezimmer der GYN-A.R.T in Zürich – nervös, angespannt, optimistisch und gleichzeitig auch etwas bedrückt. Was würde uns erwarten? Würde unser Kinderwunsch doch noch erfüllt werden können? Diese und gefühlt tausend andere Fragen schossen mir durch den Kopf.
Das Wartezimmer war ziemlich voll mit anderen Paaren und ich weiss nicht, ob ich mir das nur eingebildet habe, aber irgendwie schienen wir alle im selben Boot zu sitzen und einander glückwünschend-zuzulächeln…

Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden wir von Frau Dr. Andenmatten abgeholt. Mit ihrer klaren und sehr ruhigen Art informierte sie uns über unsere Möglichkeiten, allfällige Risiken, Erfolgsaussichten und nahm sich Zeit für all unsere Fragen. Ausserdem gingen wir die nächsten Schritte durch. Dafür war ein Terminplan für uns erstellt worden, in welchem genau aufgelistet war, was wann stattfinden würde. Das Startdatum lag auf einem meiner kommenden ersten Zyklustage.
Für mich stand bereits vor diesem Gespräch fest, dass ich allem zustimmen würde und so schnell wie möglich beginnen wollte, für meinen Mann zeichnete sich dies im Verlauf des Gesprächs auch rasch ab.
Mit meinem nächsten ersten Zyklustag, ich glaube im Mai 2015, startete also eine Hormontherapie, die alles andere als leicht war: Um die spätere Eiproduktion zu fördern, wurde ich zuerst “downreguliert”. Die Einnahme der Hormone löste bei mir schlimme – bis dahin für mich völlig unbekannte – Depressionen aus. Diese setzten mir so zu, dass ich an einem Wochenende nicht mal mehr aus dem Bett kam, mich fragte, was ich auf dieser Welt eigentlich sollte und auf der Terrasse mehrmals darüber nachdachte, ob ich meinem Leben ein Ende setzen sollte. Für meinen Liebsten muss es die Hölle gewesen sein – von jetzt auf gleich lag neben ihm eine Frau, die ihren gesamten Lebensmut verloren hatte und die er einfach nicht mehr aus ihrem Tief bekam. Diese Zeit ist – rückblickend betrachtet – etwas in Nebel gehüllt, deshalb kann ich heute auch gar nicht mehr wirklich sagen, was genau wann geschah.
Um diese Emotionen in den Griff zu kriegen, erhielt ich von meiner Frauenärztin ein beruhigendes Medikament, das mir durch diese Zeit helfen sollte und tatsächlich, die Depression verschwand nach einigen Tagen, wie sie gekommen war. Im Nachhinein betrachtet, war diese Zeit relativ kurz, aber so einschneidend und schlimm für mich, dass mir damals schon klar war, dass ich so eine Behandlung psychisch nicht mehrere Male durchstehen würde…

Anfang Juli war es dann soweit und es fand eine Punktion statt, bei welcher mir acht Eizellen entnommen und anschliessend befruchtet wurden (vier wurden eingefroren, vier “beobachtet”). Nach drei Tagen erhielt ich einen Anruf, dass mir Ende der Woche zwei der vier wieder eingesetzt werden könnten.
Um unsere Chancen zu erhöhen, hatten mein Mann und ich uns von Anfang an für zwei entschieden, obwohl das auch die Chance auf Zwillinge (oder gar mehr) erhöhte. Da mein Mann selbst einen Zwillingsbruder hat und ich mit meiner Schwiegermutter schon oft darüber gesprochen hatte, wie es ist, auf einen Schlag Mama von Zweien zu sein, hätte ich nichts dagegen gehabt…
Der Einsatz der beiden befruchteten Eizellen verlief problemlos: Mein Mann und ich fanden uns am 11. Juli, einem Samstagmorgen, früh in der Klinik ein, ich wurde kurz auf die Behandlung vorbereitet, danach ging’s für uns beide in den Behandlungsraum, wo wir auf einem Bildschirm alles mitverfolgen konnten. Im Anschluss musste ich noch dreissig Minuten ruhig liegen und erhielt die Anweisung mich einige Tage zu schonen. Ausserdem spritzte ich mir – ich weiss leider nicht mehr genau ab wann und für wie lange –  täglich Gelbkörperhormone. Neun Tage später fuhr ich erneut in die Klinik, um einen Bluttest zu machen, der uns sagen sollte, ob ich schwanger war.
Am Nachmittag des 21. Juli – ich weiss noch genau, wie unheimlich nervös wir beide waren, was wir anhatten und wo wir standen – rief mein Mann (ich hätte das nervlich nicht geschafft) in der Klinik an, um das Resultat zu erhalten. Ganz ehrlich, ich glaube das waren die längsten zwei Minuten meines bisherigen Lebens. Und dann die Erleichterung: schwanger!
Wir wurden beide von zig Gefühlen übermannt und konnten unser Glück, dass es direkt beim ersten Versuch geklappt haben sollte, kaum fassen. Von da an hatte ich aber gleichzeitig auch immer wahnsinnige Angst, dass ich mein Baby wieder verlieren könnte.
Zehn Tage später hatten wir bei der GYN-A.R.T unseren ersten Ultraschall-Termin. Wir sahen “unsere kleine Blase”, erfuhren, dass alles tiptop aussah und dass wir keine Zwillinge erwarteten. Ausserdem teilte uns Frau Dr. Andenmatten mit, dass der errechnete Geburtstermin der 28. März 2016 sei. Das ganze Team der GYN-A.R.T war uns übrigens während der gesamten Behandlungsdauer eine riesige Stütze: äusserst verständnisvoll, ruhig, wohlwollend, professionell und hilfsbereit.
Nach diesem ersten Ultraschall war ich die ersten vier Monate jeden Monat bei meiner Frauenärztin zur Kontrolle und danach alle sechs Wochen – zu gross war meine Angst, dass dem Baby etwas passieren könnte… Durch Gespräche mit meinen Freundinnen weiss ich, dass sie völlig andere, viel entspanntere Schwangerschaften erlebt haben, ich war leider durch die Fehlgeburt und die darauffolgende Zeit, in welcher ich einfach nicht mehr schwanger wurde, so negativ geprägt, dass ich das Schwangersein nur selten vollumfänglich geniessen konnte. Es wurde mit zunehmendem Bauchumfang und aktivem Treten meines Kleinen zwar etwas besser, die Angst begleitete mich aber bis zur letzten Sekunde – traf mich doch tatsächlich, fernab meiner Schwangerschaft, ein für mich unvorstellbarer Schicksalsschlag mit voller Wucht:
Rund einen Monat vor der Geburt starb mein geliebter Papa. Dieser Verlust hat mir von jetzt auf gleich komplett den Boden unter den Füssen weggezogen. Irgendwann befürchtete ich sogar, dass mein Papa vor der Geburt gestorben sein könnte, weil auch mein Kleiner sterben würde, und er ihn so im Himmel “empfangen” könnte. Ich weiss, dass sich das völlig verrückt anhört, aber vollgepumpt mit Hormonen, am Boden zerstört, von Trauer übermannt und in Angst, meinem ungeborenen Kind könnte doch noch was zustossen, erschien das für mich einen Sinn zu ergeben…
Deshalb war es umso emotionaler und schlicht überwältigend, als dann, am 12. März 2016, Levi per Kaiserschnitt gesund und munter zur Welt kam. Er machte meinen Mann und mich zu Eltern und – das kann ich mit Gewissheit sagen – den glücklichsten Menschen im ganzen Universum!

Ich habe in verschiedenen Gesprächen mit anderen Frauen gehört, dass bei einer künstlichen Befruchtung im Schnitt anscheinend jedes 7. Ei zu einer Schwangerschaft führt und kenne Frauen, die über zehn Anläufe gebraucht (und durchgestanden) haben, bis es dann endlich geklappt hat. Dass es bei uns direkt beim ersten Mal zu einer Schwangerschaft geführt hat, ist also leider nicht die Regel.
Ich glaube, dass wir es noch ein zweites Mal versucht hätten, wenn ich nicht auf Anhieb schwanger geworden wäre, allerdings empfand ich die psychische Belastung als so stark, dass ich mir bis heute sicher bin, dass ich es nicht mehrere Monate überstanden hätte.

Während der gesamten Zeit habe ich mit meinem Umfeld und am Arbeitsplatz ganz offen darüber gesprochen, sonst hätte ich die vielen Termine, das Setzen von Spritzen und auch mein teilweise sicher seltsames Verhalten nur durch Lügen und viel Verschleierung erklären können. Es tat mir gut, nichts verheimlichen zu müssen, führte aber auch dazu, dass ich mich irgendwie unter Dauerbeobachtung und manchmal etwas minderwertig gegenüber anderen Schwangeren/Müttern fühlte.
Das ist übrigens auch der Grund wieso mein Mann und ich bei meiner zweiten Schwangerschaft, rund acht Monate nach Levis Geburt, so lange wie möglich mit niemandem darüber gesprochen haben und beschlossen haben nie auf irgendwelche Fragen dazu einzugehen – wir wollten es dieses Mal einfach für uns geniessen, ganz natürlich und ohne Erklärungen wie, weshalb, warum und das Gefühl unter ständiger Beobachtung zu stehen.

Nachdem ich selbst (obwohl medizinisch gesehen sowohl mit meinem Mann, wie auch mit mir alles in Ordnung war und nichts gegen eine Schwangerschaft sprach) lange Zeit nicht mehr natürlich schwanger werden konnte, ist es mir ein grosses Anliegen, dass das Thema “künstliche Befruchtung” endlich enttabuisiert wird. Gibt es doch so viele Menschen, die davon betroffen sind und nichts scheint mir natürlicher als der Wunsch ein Kind zu haben.
Vielleicht geht es nicht allen so, aber mir tat es gut, wenn ich jeweils von anderen hörte, dass es bei ihnen auch nicht so einfach war – ich fühlte mich verstanden und es gab mir gleichzeitig wieder etwas Hoffnung…

Herzlich

R&(L)

PS: Da ich keine medizinische Ausbildung habe, zig Fachbegriffe nicht kenne und mich auch nicht an jedes Detail erinnere, hier ein Artikel, der den gesamten Ablauf medizinisch besser erklärt.

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